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Umzug in den Markt Pernitz in Niederösterreich
Aus meinem Leben: Ausschnitte aus "Erinnerungen an meine Kindheit und Schulzeit".
Autor: Hans Thaler


   

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Zur Eingewöhnung an das Milieu der Hauptschule, das mir gar nicht so leicht fiel, hatte ich nicht viel Zeit. Mein Vater stand nämlich vor einer sehr schweren Entscheidung, die uns alle bedrückte. Und das kam so: Die Papierfabrik Gmeingrube, ein kleiner Privatbetrieb, der 1934 von der großen Firma Bunzi aus Pernitz-Ortmann aufgekauft wurde, stand vor der Stilllegung. Den Betriebsangehörigen wurde zwar ein Arbeitsplatz im Hauptwerk Ortmann angeboten, aber die unsicheren Umstände waren groß. Mein Vater versuchte vergeblich, in der näheren Umgebung eine Arbeit zu bekommen. Alle Bemühungen mussten fehlschlagen, denn in Österreich waren zu dieser Zeit mehr als eine halbe Million Menschen arbeitslos. Wohl oder übel mussten sich meine Eltern entschließen, unser Daheim in Wolkersdorf, wo wir uns alle so wohl fühlten, zu verlassen.

Am 6. Dezember 1935 war es so weit: Wir übersiedelten nach Pernitz im niederösterreichischen Piestingtal, nachdem Vater schon zuvor die Arbeit in der Papierfabrik Ortmann aufgenommen hatte. Alle unsere Habseligkeiten einschließlich eines kleinen Holzvorrates wurden auf einem Pferdegespann zur Bahnstation Gmeingrube gebracht, wo sie zusammen mit den Möbeln der anderen Familien, die sich zur Auswanderung entschlossen, in einen Güterwaggon verladen wurden. Unsere Reise im Personenzug mit zweimaligem Umsteigen und langen Wartezeiten dauerte den ganzen Tag über. Es war meine erste große Reise und mir wurde daher kaum die Zeit lang.
In Pernitz bezogen wir vorerst ein Massenquartier, wo alle Familien mit Kind und Kegel untergebracht wurden. Als nach einigen Tagen der Möbeltransport in Pernitz eintraf, konnten wir in der Tischlerei Emstbrunner unsere Wohnung beziehen, die wie üblich aus Küche und Zimmer bestand. Für unsere Verhältnisse war alles schön, groß und teuer, aber nicht so heimelig wie in Wolkersdorf. Die Hausbesitzer, der alte Tischlermeister Ernstbrunner und seine hübsche junge Frau, waren aber sehr freundliche Leute.

Mit meiner neuen Umwelt war ich bald vertraut. Der Tischlereibetrieb erweckte mein besonderes Interesse und es dauerte nicht lange, da hatte ich die ganze Werkstätte erforscht. Der Meister und die Gesellen ließen mich gewähren und gaben mir bereitwillig Holzabfälle und Werkzeug zum Basteln.
Auch den Eintritt in den Schulbetrieb der Hauptschule Pernitz bewältigte ich ohne Schwierigkeiten. Von Seiten meiner Mitschüler war ich allerdings anfangs argen Hänseleien wegen meiner stoasteirischen Mundart ausgesetzt, aber bald hatte ich mich an deren Ausdrucksweise angepasst. Nicht genug wundern konnte ich mich über die lockere Disziplin in der Schule. Der Klassenvorstand wurde zu meinem Entsetzen lautstark mit einem Spitznamen bedacht. Das war nicht mein Stil. Als aufmerksamer, lernwilliger Schüler habe ich den Anschluss an den Lehrstoff schnell geschafft und trotz Schulwechsel erhielt ich bereits zum ersten Semester mein gewohntes Vorzugszeugnis.

Der Marktflecken Pernitz, in der Thermenzone gelegen, hat ein mildes Klima. Er liegt im breiten Talbecken, wo der Mirabach in die Piesting mündet. Die umgebenden mittleren Höhen mit ihren dunklen Föhrenwäldern geben der Gegend einen besonderen Reiz. Klaubholz wie in Wolkersdorf gab es allerdings hier nicht zu holen, dafür fand man sehr viele große, pechige Schwarzföhrenzapfen, Boggerl genannt. Mein Dazutun bei der Hausarbeit wurde nunmehr das Boggerlklauben. Ich bin sehr gerne in den Schwarzföhrenwald gegangen, weil es dort so herrlich nach würzigem Harz roch. Anfangs konnte ich mich nicht genug über die vielen Tongefäße wundern, die an den Baumstämmen angebracht waren und wie Blumentöpfe aussahen. Die Stämme waren mit V-förmigen Einschnitten in die Rinde versehen, aus denen das Harz herausquoll und in die Tongefäße tropfte. Bald war mir alles klar, als ich erfuhr, dass die Pechsammler dieses Harz ernten und daraus Kolophonium erzeugt wird.

Unser Wohnen in Pernitz sollte nur ein kurzes Intermezzo werden, trotzdem formte mich gerade dieses eine Jahr in besonderem Maße. Nun lebten wir in einem großen, belebten Ort unter wendigeren Menschen mit unterschiedlichen Berufen. Erstmals erhielt ich Einblick in Handwerksbetriebe und erlebte das geschäftige Treiben eines Marktes. Die vielen Menschen, denen ich täglich begegnete, regten mein Auffassungsvermögen an und die neue Hauptschule forderte mich im richtigen Maße. Die alte Heimat war bald in Vergessenheit geraten und die Familie hat sich an den merklich besseren Wohnkomfort gewöhnt: Leitungswasser im Haus, elektrisches Licht, eine zentral gelegene Wohnung mit schönen, hellen Räumen. An den langen Winterabenden konnte ich nun beim hellen Schein einer elektrischen Glühbirne lesen und meine Hausaufgaben machen, während in Wolkersdorf die Beleuchtung aus dem matten Schein der Petroleumlampe bestand. Schließlich war der kurze, bequeme Schulweg für mich eine wohltuende Erleichterung. Aber bald sollte für uns alles wieder anders kommen.



Inhaltsverzeichnis

Einleitung
Meine ersten fünf Lebensjahre in der Steiermark

Übersiedelung nach Wolkersdorf
Vom Leben im Laintal
Erinnerungen an meine unbeschwerte Kindheit
16. September 1931: Beginn der Schulpflicht
Mein Berufswunsch: Lehrer
Unser bescheidenes Alltagsleben
24. September 1935: Der Eintritt in die Hauptschule
Umzug in den Markt Pernitz in Niederösterreich

Seine Erinnerungen an die Militärzeit finden sich unter den Zeitzeugenberichten auf www.ooezeitgeschichte.at.
Hans Thaler: Memorandum – Erinnerungen an die Militärzeit
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Hugo Wagner - Lebenserinnerungen Foto K. Freisinger 

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