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An der Front
Die Lebenserinnerungen des Zöllners Hugo Wagner



   

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In der Zwischenzeit hatte sich an der Front sehr viel getan. Es ging planmäßig rückwärts.

Der Iwan hatte den Kessel von Demjansk aufgerieben. Er hat hier nicht so viele Gefangene gemacht wie in Stalingrad, wo sie auf dem Marsch nach Sibirien an Kälte, Hunger oder an verschiedenen Krankheiten, hauptsächlich an Fleckfieber, welches auch ich hatte, starben. Wer hätte tausende Gefangene verpflegen sollen? Die Russen hatten ja selbst zu wenig zum Essen.

Ich bin, mit viel Glück, dem Tod entronnen. Immer wieder muss ich sagen, dass ich vom Kriegsglück, wenn es ein solches gibt, direkt verfolgt wurde.

Auf Umwegen kam ich wieder zu meinem Füsilierbataillon.
An der Front angekommen, kam ich gerade recht zu einem Angriff. Der Russe hatte an einer Stelle wieder die Front durchbrochen. Unser Füsilierbataillon hatte die Aufgabe, die durchgebrochenen Russen einzukesseln.

Vor dem Angriff kamen wir immer in die Bereitstellung. Diesmal waren wir in einem unbewohnten russischen Holzhaus einquartiert. Wir haben den Petschko, das ist der Ofen, ordentlich eingeheizt. In der Nacht fing das Dach zu brennen an. Vermutlich war der Rauchfang beschädigt. Nun mussten wir löschen. Es war Nacht. Mit den Kochgeschirren suchten wir Wasser. Wir kamen zu einem Loch, in dem wir Wasser vermuteten. Wir schöpften und bemerkten sofort, dass es eine Latrine war. Unser Kochgeschirr stank furchtbar, wir konnten diesen Geruch kaum noch restlos entfernen. Im Morgengrauen ging es weiter Richtung Front. Das Haus ist hinter uns niedergebrannt.
an der Front
Bild oben: An der Front (Foto: Hugo Wagner)

Weil ich von hinten kam, hatte ich noch keine Waffen. Auch bei der Kompanie waren keine zu bekommen. Und ohne Waffen Krieg führen, wo gibt es so etwas?
Am Lochrand eines Schützengrabens lag das Gewehr eines Grabenpostens, Das nahm ich mir. Es war für mich Notstand und deshalb nicht strafbar. Nun stand der Iwan vorne und hinten. Wir durchbrachen die Linie und schnitten so die durchgebrochenen Russen ab.
Unsere Artillerie schoss auf diese Russen, aber nun waren auch wir durch die eigene Artillerie gefährdet, und nicht selten sind unsere Soldaten in dieses Feuer geraten.
Die Russen traten den Rückzug an, nachdem sie bemerkt hatten, dass sie von der eigenen Truppe abgeschnitten waren.

Einen zurückfliehenden russischen Offizier sah ich und schrie ihn an: "Rucki werch!" Der legte aber seine Maschinenpistole auf mich an. Ich war mit meinem Gewehr schneller.

Von ihm organisierte ich mir die Pistole, zu der auch die MP-Munition passte, und die Kartentasche, die wesentlich größer war als unsere. Meine warf ich weg. Übrigens, die Pistole, die ich dem Offizier abgenommen hatte, war mit einer deutschen Gewehrputzschnur um seinen Hals befestigt. Ein Zeichen dafür, dass er sie einem Deutschen, wahrscheinlich einem toten Landser, abgenommen hatte.

Allmählich wurde es dunkel. Neben mir lag ein Unteroffizier, der einen Gefangenen machen wollte. Ich warnte: "Du spinnst, wo kannst du hier einen Gefangenen machen!" Er kroch in die Richtung, in der wir in einem Jungwald Russen umherirren sahen. Als er in deren Nähe kam, schnappten sie ihn. Wir konnten ihm nicht helfen.
Nun wurde es schnell finster. Ich befahl meinen Kameraden in einen Granattrichter zu kommen, obwohl Wasser darinnen war. Die Russen kamen zurück, sie brachen bei uns durch. Der MG-Schütze und wir verbliebenen acht Mann schossen herum, und es kam uns kein russischer Soldat zu nahe.

Plötzlich war es ruhig. Es war stockfinster und wir waren allein. In diesem Loch konnten wir nicht liegen bleiben. Wir entschlossen uns zurückzukriechen, wussten aber nicht, wo vorne oder hinten war.

Nach einigen Stunden kamen wir zu einem Bunker, aus dem wir deutsche Stimmen hörten, ja, es war unser Kommandeurbunker. Der Hauptmann, ein protestantischer Pfarrer, der mich seinerzeit an die Front geschickt hatte, nahm uns in Empfang. Er freute sich herzlich, uns wieder zu sehen. Unsere Freude war nicht so groß, als er uns sagte: "Ihr seid tapfere Soldaten, wir werden den Iwan im Morgengrauen wieder zurückschlagen!"

Tatsächlich ist es uns tags darauf, mit nur elf Mann, unter Führung des Pastors, gelungen, mit furchtbarem Gebrüll den Iwan ein Stück zurückzudrängen. Wahrscheinlich glaubte er, es käme eine ganze Kompanie.

Nun fanden sich doch noch versprengte Soldaten ein, wir bildeten eine Art Stellung und begannen im Morgengrauen mit unseren Spaten Löcher zu buddeln. Überall war unübersichtlicher Wald. Wir merkten, dass sich der Iwan, nicht weit von uns entfernt, auch eingrub. Der Kommandeur befahl, noch ein Stück zurückzuweichen.
Während wir das besprachen, fiel der neben mir stehende Landser einfach um. Er war tot. Ich schrie dem Sanitäter, der kam angerannt, um dem Kameraden zu helfen. Plötzlich fiel auch er um und war sofort tot. Ich stand daneben, mir passierte nichts. Wir wussten sofort, dass es sich um russische Baumschützen handelte, die sogar mit Zielfernrohrgewehren ausgestattet waren. Mich hat sicherlich ein Baum geschützt. Mit unseren Maschinengewehren eröffneten wir ein Dauerfeuer auf den Iwan und auf die Bäume. Ob wir den Schützen getroffen haben, weiß ich nicht.

Bei mir im Schützenloch, das wir uns wieder gruben, war der Melder namens Gruber, ein großer, starker Kumpel aus dem Ruhrgebiet. In einem kleinen Loch machten wir Feuer, um Tee zu kochen, das Einzige, was wir noch hatten. Die eiserne Ration, die jeder Kämpfer bekam, war längst gegessen und wir hatten Hunger.
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Inhaltsverzeichnis
Unser Franz 
Der Lehrer Moser  -  1938
Die Zollkiste 
Im Kessel von Demjansk
An der Front
Der Unterführerlehrgang
Entnazifizierung
Meine Jagderlebnisse in Schenkenfelden
Geschichte aus meiner Dienstzeit in Weigetschlag
Eine Diensthundegeschichte
mit Dirndl

Eine Ochsengeschichte
Noch eine Hundegeschichte
vom Dirndl

Eine verhängnisvolle Abkürzung
Hasengeschichte Weigetschlag

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