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Eine verhängnisvolle Abkürzung
Die Lebenserinnerungen des Zöllners Hugo Wagner



   

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Ich war von 1949 bis 1954 im Zollhaus in St. Oswald bei Haslach als Zollwache-Abteilungsleiter tätig. Zwischen dem Zollhaus und dem sich in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen Kainbergerhäusl (es stand kein anderes Haus weit und breit) befand sich tschechisches Hoheitsgebiet. Um auf österreichischem Gebiet zu diesem Nachbar gelangen zu können, hätte man einen großen Umweg machen müssen, deshalb gab es einen Abkürzungsweg über tschechisches Gebiet und das ging jahrelang gut …

Diensthund Dirndl
(Foto: Hugo Wagner)




Im Zollhaus war auch die Grenzgendarmerie untergebracht. Diese hatte damals die russische Besatzungsmacht eingesetzt und im Gegensatz zu uns Zollwachebeamten mit den entsprechenden Verteidigungswaffen ausgerüstet. Zum Frühstück brauchten wir täglich Milch und diese brachte uns ein Sohn vom Kainberger. Er ging auch immer die Abkürzung.

Eines Morgens kam er weinend mit der leeren Milchkanne dahergelaufen und erzählte Folgendes:
Auf tschechischem Gebiet war neben dem Steig ein leerer Teich, und darin waren zwei tschechische Grenzsoldaten versteckt. Als nun der Bub vorbeiging, riefen sie ihn an: "Stoi!" das heißt "Halt!", doch der Bub lief davon. Sie verfolgten ihn nicht, jedoch die Milch war verschüttet.
Für uns war dies ein Alarmzeichen. Niemand durfte mehr diesen Steig benutzen, auch der Milchbub musste den langen Umweg entlang der Grenze machen. Seine Geschichte war für uns alle eine Warnung und so verzichteten auch wir auf diese Abkürzung.

Wochen später ging ich während des Grenzdienstes entlang der Grenze in Richtung Kainbergerhäusl. Ich sah, wie ein tschechischer Grenzsoldat aus diesem heraustrat und daraufhin, nach wenigen Schritten die Grenze überschreitend, am für uns verbotenen Steig im daneben liegenden Teich verschwand.
Ich fragte Frau Kainberger, was der Tscheche wollte. Sie sagte, er hätte um Feuer gebeten, das sie ihm gegeben hätte.
Ich rief den Grenzsoldaten an, er kroch tatsächlich aus dem Teich heraus und kam zu mir zur Grenze. Ich fragte ihn, was er getan hätte, wenn ich ihn auf österreichischem Gebiet verhaftet hätte. In reinem Deutsch antwortete er: "Geschossen."
Er konnte sehr gut Deutsch, weil seine Mutter eine Sudetendeutsche war. Was wir noch miteinander sprachen, weiß ich nicht mehr, aber eines weiß ich noch ganz genau, er bat mich, niemand mehr über diesen Steig gehen zu lassen, damit sie diese unangenehme Tag- und Nachtwache beenden könnten.
Das versprach ich ihm.

Ab 1955 wurde die Grenzgendarmerie von der österreichischen Regierung aufgelöst und die Zollwache als alleinige Bewacherin der Grenze eingesetzt und endlich mit den entsprechenden Verteidigungswaffen ausgerüstet.

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Inhaltsverzeichnis
Unser Franz 
Der Lehrer Moser  -  1938
Die Zollkiste 
Im Kessel von Demjansk
An der Front
Der Unterführerlehrgang
Entnazifizierung
Meine Jagderlebnisse in Schenkenfelden
Geschichte aus meiner Dienstzeit in Weigetschlag
Eine Diensthundegeschichte
mit Dirndl

Eine Ochsengeschichte
Noch eine Hundegeschichte
vom Dirndl

Eine verhängnisvolle Abkürzung
Hasengeschichte Weigetschlag

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